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  • 20 Jahre

    veröffentlicht: Martin Kohlhaas, Freitag, 16.11.2018 in Klima, Weimar

    Nachtgedanken

    Letzens konnte ich nachts echt nicht wieder einschlafen und mir gingen eine Menge Sachen durch den Kopf. Da bin ich dann aufgestanden und habe die Gedanken in meine Sprachmemos gespochen. Hier ist das Transkript - nahezu unbearbeitet. Eine Überarbeitung, Straffung und Sortierung wäre sicherlich dem Text dienlich - mir fehlt aber die Zeit.

    Zwanzig Jahre sind für mich noch ein überschaubarer Zeitraum. Wir schreiben 2018 – ich bin 45 Jahre alt. Vor 20 Jahren, 1998, war ich 25. In zwanzig Jahren, 2038, werde ich hoffentlich 65 Jahre alt sein.
    Vor zwanzig Jahren ist unser erster Sohn geboren, vor zwanzig Jahren gab es das Internet gerade eben so. Deshalb denke ich, dass diese *zwanzig Jahre* vielleicht ein guter Wert sind, um zurück zu schauen, wie sich denn die Welt verändert hat und daraus vielleicht Schlüsse zu ziehen, wie sich die Welt ändern könnte in den nächsten zwanzig Jahren.
    Wenn ich mir die Entwicklung anschaue in Ihrer Schnelligkeit, egal in welchem Bereich – Politik, Technik, Umwelt – dann habe ich da kein gutes Gefühl. Ich kann mir vorstellen, dass *wir* als die Generation in den Geschichtsbüchern stehen, die es an die Wand gefahren hat. Die Generation, die es hätte noch ändern können. Die noch die Möglichkeit gehabt hätte, große Maßnahmen oder drastische Maßnahmen einzuleiten, um den Planeten noch bewohnbar zu halten.
    Die politischen Entwicklungen rundherum zeigen also deutliche Verfallserscheinungen im Moment. Überall gibt es Separationsbewegungen, zum Beispiel *Brexit*. In vielen Ländern gehen Wahlen in Richtung Extremismus aus, siehe Brasilien gerade und Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel die Vereinten Nationen werden von großen Playern (USA/Trump) ignoriert oder boykottiert. Und das sind für mich keine guten Voraussetzungen um zu sagen, solche großen, Gemeinschaftsleistungen erfordernden, Projekte wie der Kampf gegen den Klimawandel stehen unter einen guten Prognose.
    Und wenn man sich da betrachtet als Einzelperson oder als Gruppe von wenigen, die da denken, etwas positiv verändern zu wollen, dann steht man da einerseits gegen eine Regierung, die nicht das Gefühl vermittelt, da aktiv und massiv etwas verändern zu wollen. Und dann natürlich innerhalb eines Landes, im Kontext anderer Länder bei denen man da auch nicht so einen Willen spürt. Und da ist eben die Frage, ich denke ja immer, dass man positive Visionen aufbauen muss, um sich gegen diese ganzen Dystopie zu stellen, die man ja auch lesen kann (ich lese gerade Maja Lundes „Geschichte des Wassers“) und wenn man da sich andere Beispiele heranzieht ist es eben relativ übermächtig, was man an Endzeitszenarien lesen kann. (Letztendlich auch schon seit zwanzig Jahren lesen kann).
    Das heißt, wenn ich mir doch versuche zu erhalten, positive Visionen zu formulieren, in Bezug auf diesen Zwanzig-Jahre- Horizont, dann glaube ich dass man trotzdem immer weniger an eine Wirksamkeit glauben kann und zwar Wirksamkeit in zweierlei Hinsicht: einerseits die Wirksamkeit in Bezug auf Änderungen im Klimawandel, also wenn wir in Deutschland den Individualverkehr radikal einschränken würden und wenn wir in Deutschland den Flugverkehr radikal einschränken würden, wenn wir die Landwirtschaft insb. die Massentierhaltung radikal umbauen würden, dann wäre der globale Impact wahrscheinlich verschwindend gering. Und die zweite Frage ist eben die Frage der Vorbildwirkung, des Mitmachen. Ich glaube in der politischen Situation von Playern wie USA oder Brasilien, die werden darüber nur lachen, sich an den Kopf greifen. Insofern glaube ich nicht, dass man damit große Vorbildwirkungssignale setzen kann, vielleicht hier und da bei den schon Überzeugten … keine Ahnung.

    Wie auch immer, man muss es weiter versuchen, schon alleine für die eigene Haltung, eben genau dafür, dass man sagen kann, man hat auf der richtigen Seite gestanden, man hat es wenigstens versucht, man hat wenigstens in der Zeit, wo noch was möglich gewesen wäre was getan.

    Vor zwanzig Jahren waren Youtube noch nicht vorstellbar, Netflix, AirBnB, Siri, diese Amazon-Lautsprecher usw. Das waren alles Sachen, die noch nicht da waren und so kann ich mir vorstellen, dass wir in zwanzig Jahren Fahrverbote haben werden, dass wir einen Kohleausstieg haben werden, dass wir Einschränkungen der individuellen Freiheit haben werden, so was wie Flugverbote oder Flüge nur mit ausdrücklicher Begründung oder Genehmigung. Dass wir autofreie Innenstädte haben werden, dass wir einen kostenlosen ÖPNV haben werden. Dass es einen eingeschränkten Fleischkonsum geben wird. Das kann ich mir vorstellen, aber eben wahrscheinlich - und da sehe ich das Problem - nicht aus einer Richtung heraus, dass wir das haben wollten, dass wir uns da aktive positiv dafür entschieden haben, sondern weil es einfach nicht funktioniert oder weil einfach die Ressourcen nicht da sind oder weil einfach die Landwirtschaft nicht funktioniert, weil durch Extremwetter, Trockenheiten, Überschwemmungen, es nicht möglich ist, die Landwirtschaft so aufrecht zu erhalten, wie es im Moment aussieht und dass man die wenigen Flächen, auf denen noch überhaupt was funktionieren würde dafür braucht, um eben Gemüse anzubauen und man sich die Doppelverschwendung (Flächen auf denen ich Nahrung für die Tiere anbaue und Flächen wo ich die Tiere halte, die mit der Nahrung der Tiere gefüttert werden) einfach nicht mehr leisten kann und das man sagen muss, ok wir müssen von der Tierhaltung weg und brauchen das Essen für uns selbst. Und das ist für mich der schlechtere Weg, dass es diese Änderungen gibt, die wir jetzt sozusagen eigentlich positiv haben wollen, die wir dann aber negativ kriegen werden, die dann durchgesetzt werden müssen in Form von Verboten. Da werden die Leute sich erinnern an solche Witze wie ein vegetarischer Tag pro Woche in der Fabrikmensa, weil es dann einfach Gesetz ist – Notgesetz – dass es kein Fleisch mehr gibt oder maximal Fleischzuteilung auf Karte einmal in der Woche. Und das ist nicht lustig, weil dann diese Maßnahmen/Änderungen als Einschränkungen wahrgenommen werden und nicht als Gewinn. Aber jetzt könnte man Themen noch als Gewinn an Lebensqualität einbringen, man könnte eben den Wegfall des Individualverkehrs durch einen radikalen Ausbau des ÖPNV, durch den radikalen Ausbau von Fahrradinfrastruktur zum Beispiel auch noch positiv erlebbar machen, in einer Zeit wo viele den Klimawandel in unserer Gegend noch als schön (langer warmer Sommer) wahrnehmen, wo man eben sagen kann, dass ja Fahrrad fahren noch Spaß macht und nicht eine Notwendigkeit, dass ich gar nicht mehr anders von A nach B komme, als mit dem Fahrrad. Und dann wir auch kein Investitionsplan mehr greifen der sagt, „Super, wir bauen jetzt unser Schienennetz aus“ oder „Wir fahren jetzt mit Elektrobussen zwischen Jena und Weimar und Erfurt“. So dass es eben jetzt schon die Möglichkeit gäbe, positive Szenarien zu entwickeln, auch - als ganz entscheidenen Punkt - mit dem Blick, wie kann man die Landbevölkerung einbinden, durch einen schnelle Taktung von verfügbaren Verkehrsmitteln. Wie kommt man in die Stadt, wie kommt man zum OBI, um seine Sachen zu holen, wie kann ich meine Transportsachen auch mit nach Hause nehmen. Kann ich vielleicht einfach meinen Einkaufswagen direkt barrierefrei in den Bus schieben, der genug Platz hat, genug Stellplätze? Kann ich vielleicht einfach mein Fahrrad mit in den Bus reinnehmen und habe dort Stellplätze, wie es im Moment schon in der Regionalbahn der Fall ist? Sind die Busse so groß, doppelt so groß wie heute (Schlenkerbusse), dass genügend Cargo-Zone darin ist um seine Einkäufe mitzunehmen. Muss man vielleicht die Rückgabestellen für die Einkaufswagen freigeben und zulassen, dass ich den Wagen mit in die Innenstadt nehmen kann. Solche Sachen zu denken, wenn man liest, dass jeden Tag nach Weimar rein 11.000 Leute pendeln und raus 8.000 Leute pendeln - wohin oder woher? Was müsste passieren, dass die Leute Fahrgemeinschaften bilden, bis zu Bushaltestellen oder Bahnhöfen? Was muss passieren, dass sie vielleicht auch direkt das Fahrrad nehmen? Welche Strecken sind das? Wie käme ich von Rudolstadt nach Weimar ohne das Auto nehmen zu müssen? Oder kann ich Firmen unterstützen: Wenn ich weiß, dass in Rudolstadt aus meiner Belegschaft 10 Leute aus Weimar kommen, kann ich meine Arbeitszeiten dann so legen, kann ich ein Sammeltaxi einrichten, was auch immer, dass ich denen ein Shuttle anbiete, damit die gemeinsam fahren können? Kann ich eine Firma also politisch dafür fördern, also für solche Maßnahmen Geld geben oder Steuereinsparungen geben? Damit nicht 10 Autos fahren, sondern eins. Und das eine Auto kann dann modernsten Standards entsprechen und als MitarbeiterIn bekomme ich eine Förderung, wenn ich auf mein individuelles Auto verzichte. Also die Frage, wie kann ich jetzt noch solche Änderungen als positive, als qualitätssteigernde Elemente reinbringen in die aktuelle Diskussion bevor es als Notverordnung, als Zwang, als *Enteignung* umgesetzt werden muss? Bevor Autos stillgelegt werden müssen von Staats wegen. Bevor plötzlich der Betrieb in Rudolstadt gar nicht mehr arbeitsfähig ist, zu machen muss, weil die Arbeitskräfte nicht mehr von Weimar nach Rudolstadt kommen, weil sie nicht mehr fahren dürfen und weil sie selber keine Alternativmöglichkeit haben, weil es eben keine Busse gibt, keine Bahnen, keine Sammeltaxen und sich Betrieb dann in einer schlechteren wirtschaftlichen Situation auch nicht mehr leisten kann, so etwas hinzu führen. Das heißt der Betrieb muss umziehen. Der Betrieb muss in einen Ballungsraum ziehen. Ballungsräume profitieren. Das Land wird ärmer. Das Land wir politisch extremer und die Gegensätze verstärken sich nur. Die Ballungsräume dagegen werden noch stärker mit Wohnungsproblemen zu tun haben, werden noch stärker mit Gentrifizierung in wenigen Vierteln zu tun haben. Auch dort werden die Gegensätze größer. Wir werden auch hier „gated communities“ sehen. Wir werden dann aber mehr Leute haben, die auch in die Städte einwandern, weil sie im Ballungsraum auf mehr Arbeitsmöglichkeiten hoffen. Wir werden durch diese Verdrängungskämpfe auch Steigerungen haben in der Kriminalität. Als die Städte werden dadurch auch nicht attraktiver.

    Also insofern jetzt überlegen, wie könnten konkrete Szenarien aussehen? wie könnten konkrete Einzelfälle aussehen, also zum Beispiel für diese Pendlerthematik. Also warum fahren so viele Autos jeden Tag rein nach Weimar und raus aus Weimar? Wo kommen die her? Warum fahren die? Um dafür an typischen Stellen Beispielprojekte zu implementieren.

    Und da kann man schon verstehen dass solche Projekte, wie das Teilauto jetzt auch Elektroautos anbietet, dass das als Luxusproblem wahrgenommen wird, weil die Person, die in Berlstädt wohnt und in Weimar an der Kasse arbeitet - sich die Frage nicht stellen kann, jeden Morgen mit dem E-Auto nach Weimar zu fahren. Und wahrscheinlich hat der Arbeitgeber blöde Arbeitszeiten, dass es nicht möglich ist, mit Öffis von Berlstädt zur richtigen Zeit nach Weimar zu fahren. Zusätzlich noch die Fragen, wo kommt der Bus an, wie muss man dann weiter. Wie lange dauert dann der Arbeitsweg? Wie kann ich auf dem Heimweg noch Wege erledigen oder den Einkauf gleich mitnehmen.
    So werden die Leute weiterhin sagen: Ihr in der Stadt habt eure Luxusprobleme. Das mit den E-Autos ist doch Schwachsinn, das nutzt uns überhaupt nix. Es vertieft die Gräben, es bringt mehr Spaltung. Die Leute wählen mehr AfD und wir kommen umweltmäßig keinen Schritt weiter.

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